8. Auktion / Oldenburg: Getrennt und wieder zusammengeführt
Diese einmalige Drucksache wurde aus heute nicht mehr bekannten Gründen vor über 80 Jahren in zwei Teile getrennt. Der untere Teil wurde sowohl in der Rothschild- als auch in der Boker-Sammlung als vollständige Drucksache angeboten. Erst in den letzten Jahren seiner Sammeltätigkeit konnte Eriwan Haub die beiden Stücke wieder vereinen.
Startpreis EUR 25‘000.-
Zuschlag EUR 95‘000.-
Oldenburg, 1/3 Groschen auf grün, zwei Einzelwerte, beide farbfrisch und breit-bis überrandig, mit auf-und nebengesetzten blauen Rahmenstempeln „VAREL 6/8“ auf getrennter und mit Falzen wieder zusammengefügter Drucksachenschleife der 2. Gewichtsstufe nach Friedenau bei St. Pölten in Österreich. Der obere Teil der Drucksache leichte unbedeutende Feuchtigkeitsspuren, sonst tadellose und schöne Erhaltung (die untere Marke und zwei Vortrennschnitte außerhalb des Markenbildes).
Einzig bekannte Doppel Frankatur dieser prominenten Marke und zweifellos eins der spektakulärsten Stücke der Oldenburg-Philatelie.
Signiert Pfenninger und Richter, Fotoatteste Pfenninger und Brettl BPP für den oberen Teil sowie Fotoattest Stegmüller BPP für die wieder zusammengefügte Drucksache.
Provenienz: Oberer Teil: Lange & Fialkowski-Auktion (1955)
Unterer Teil: Sammlung Rothschild (H.R. Harmer 1939), John R. Boker, Jr. (1987)
Eine faszinierende Geschichte
Am 23. und 24. Oktober 1939 kam die Rothschild Altdeutschland-Sammlung bei dem Londoner Auktionshaus H.R. Harmer zur Versteigerung. Enthalten waren einige der bedeutendsten Raritäten der Altdeutschen Staaten, darunter ein Drucksachenstreifband mit Oldenburgs 1/3 Groschen von 1859 nach „Fridau bei St. Pölten in Niederösterreich“. Fast ein halbes Jahrhundert später, im März 1985, kommt das Streifband im Rahmen der Versteigerung der Sammlung John R. Boker, Jr. erneut zum Angebot. Sowohl 1939, wie auch 1985, war nicht aufgefallen, dass der Name des Adressaten in St. Pölten fehlte. War das Streifband gekürzt? Stand der Name des Empfängers auf der ehemals einliegenden Drucksache?
Etwa 25 Jahre später studiert der philatelistische Experte Till Neumann aus Bremen die aktuellen Auktionskataloge deutscher Briefmarkenversteigerer. Bei einem Streifband aus dem Oldenburgischen Varel hält er inne. Es ist ebenfalls mit einer 1/3 Groschen frankiert, adressiert an den „Cammer-Assessor F.C. Reiners aus Varel“. Habe ich so etwas ähnliches nicht schon einmal gesehen, die charakteristische Schrift, die seltene Frankatur, fragt sich Till Neumann. Aber wo? Er beginnt zu recherchieren. Dank seines ausgeprägten fotografischen Gedächtnisses findet er bald das Streifband ex John R. Boker, Jr. in dem Heinrich Köhler Auktionskatalog von 1985. Die Handschrift passt. Der Aufgabeort Varel stimmt. Auch das Datum „6.8.“ ist identisch! Spontaner Eindruck: eine zweite Drucksache aus dieser Korrespondenz.
Doch dann bemerkt Till Neumann, dass sich beide Streifbänder ergänzen! Ein Streifband-Doppelporto nach Österreich? Weitere Recherchen fördern einen Brief aus Oldenburg an „Cammer-Assessor F.C. Reiners aus Varel, Friedau bei St. Pölten in Niederösterreich“ mit 3 Groschen frankiert zu Tage. Dieses Mal jedoch mit vollständiger Anschrift, Name und Adresse. Das war der Beweis! Die beiden Streifbänder waren ursprünglich ein Streifband. Das Doppelporto wurde mit zwei Einzelmarken an verschiedenen Stellen auf dem großformatigen Streifband frankiert und später nach dem Motto „…aus Eins mach Zwei…“ auseinander geschnitten.
Wie viele Jahrzehnte waren die beiden Streifbandteile getrennt? Das Schicksal führte beide Streifbandteile nach Wiesbaden. Nur leider mit 30 Jahren Abstand. Das obere Streifbandteil mit dem Namen des Adressaten „F.C. Reiners aus Varel“ wurde 1955 in Wiesbaden von dem Auktionshaus Lange & Fialkowski versteigert. Das untere – wie geschildert – 1985 bei Heinrich Köhler. Drei Jahrzehnte später finden die beiden Streifbandteile wieder zusammen. Till Neumann hatte mit seiner Entdeckung Erivan Haub begeistert, der mit großer Freude die beiden Teile in seiner Sammlung wieder vereinigte. Jetzt sind sie wieder zusammen erhältlich. In Wiesbaden. Bei Heinrich Köhler!