9. Auktion / Mecklenburg-Streliz: Einer der kostbarsten Briefe der Altdeutschen Staaten
Ein unglaubliches Stück; der einzig bekannte Brief der Erstauflage der Nr. 1 und die einzige registrierte und nachweislich echte Mehrfachfrankatur der Nummer 1 von Mecklenburg-Strelitz überhaupt.
Startpreis EUR 80‘000.-
Zuschlag EUR 440‘000.-

¼ Silbergroschen dunkelgelblichorange, waagerechtes Paar und 2 Einzelwerte, alle farbfrisch und einwandfrei durchstochen, mit sauber auf- und nebengesetztem Einkreisstempel „FÜRSTENBERG MBG 2/2“ auf links etwas verkürztem Faltbrief (Rechnung) nach Neubrandenburg. Sehr schöne frische und insgesamt einwandfreie Erhaltung. Einer der kostbarsten Briefe der Altdeutschen Staaten; von Otto Friedl, dem damaligen Beschreiber in der Auktion der Rothschild-Sammlung 1939 bei H. R. Harmer bezeichnet als „The most valuable item of this collection“, und so erzielte der Brief mit damals spektakulären 310 £ auch den höchsten Zuschlag dieser legendären Auktion. Signiert Friedl und Thier, Fotoattest Jäschke-L. BPP (2023)
Provenienz: Sammlung Rothschild (Harmer’s 1939) Sigmund Adler (H.R. Harmer, 1961) John Boker jr. (1988)
Mit der Einführung der „Briefmarke“ hatte man in Strelitz keine Eile!
Am 1. Juli 1850 war Mecklenburg-Strelitz, wie auch Mecklenburg-Schwerin, als Gründungsmitglied dem Deutsch-Österreichischen-Post-Verein (D.Ö.P.V.) beigetreten. Nach den Bestimmungen des D.Ö.P.V. sollten die Mitgliedsländer die Erhebung des Portos „so bald als tunlich“ durch Frankomarken einführen. Doch in Mecklenburg-Strelitz mahlten die Mühlen langsam, die Uhren gingen anders. Wie auch immer, unter der Forderung „so bald als tunlich“ verstand man in Mecklenburg-Strelitz einen Zeitraum von stolzen 12 Jahren. So lange dauerte es, bis im März 1862 die Entscheidung reifte, sich in Lübeck dann doch einmal hinsichtlich der Herstellung von Briefmarken zu erkundigen.
Die Antwort aus Lübeck war unbefriedigend. Das in Mecklenburg-Strelitz für die Einführung der Briefmarken zuständige Kammer- und Forstkollegium (!) wandte sich schließlich im Dezember 1862 an die Preußische Staatsdruckerei. Wie „intensiv“ man sich im Vorfeld mit der Einführung von Briefmarken „beschäftigt“ hatte zeigt eine kuriose und heute kaum nachvollziehbare Anfrage bei den Nachbarstaaten: Ob diese die Herstellkosten der Briefmarken dem Publikum zusätzlich zum aufgedruckten Nennwert berechnen würden. Man hatte es ganz offensichtlich mit der Einführung der vom D.Ö.P.V. geforderten Briefmarken nicht wirklich eilig!
Der Altmeister der Altdeutschland-Philatelie, Ewald Müller-Mark, kommentierte in seinem „Altdeutschland unter der Lupe“ treffend: „… so leicht wollte man sich wohl an die ‚neumodischen Dinger‘ von Briefmarken nicht gewöhnen.“
Nach weiteren zeitraubenden Kalkulationen zum voraussichtlichen Markenverbrauch wurden am 9. Februar 1864 endlich die sechs verschiedenen Werte mit Auflagen zwischen 20.000 und 100.000 Stück in Auftrag gegeben. Ganz offensichtlich hatte man sich aber zumindest im Hinblick auf die Nachfrage für die ¼ Silbergoschen Briefmarke stark verkalkuliert. Eigentlich nur für lokale Drucksachen zwischen Alt- und Neustrelitz sowie Neubrandenburg geschaffen, wurden die orangefarbenen ¼ Silbergroschen zu Ladenhütern. Wenn überhaupt, dann wurden sie offenbar als Mehrfach- oder Mischfrankaturen für höhere Portostufen verwendet. Eine lokale Drucksachen-Einzelfrankatur ist bis heute bekannt. Insgesamt gibt es wohl nicht einmal eine Handvoll Briefe mit der ¼ Silbergoschen Briefmarke.