8. Auktion / Schleswig-Holstein’sche Industrie-Geschichte
Gebrauchte Dreierstreifen dieser Marke sind außerordentlich selten, auf Brief haben wir nur einen weiteren registriert. Eine der großen Seltenheiten der Schleswig-Holstein-Philatelie.
Startpreis EUR 25‘000.-
Zuschlag EUR 100‘000.-
Schleswig-Holstein, 1 Schilling blau im waagerechten 3er-Streifen, die rechte Marke oben rechts kurz minimal in der Randlinie berührt, sonst allseits voll- bis breitrandig und sehr schön farbfrisch, mit leicht und sauber aufgesetztem Roststempel „34“ von Rendsburg, jedoch ohne nebengesetztem Aufgabe-Stempel, auf Brief mit großem Teil des Inhaltes nach Hamburg.
Sehr schöne frische und einwandfreie Erhaltung. Signiert Ernst Stock und Friedl, Fotoattest Friedl Expert Committee 1950) und Jakubek BPP (1998)
Provenienz: 13. Heinrich Köhler-Auktion (1916), 14. Kurt Maier-Auktion (1922), 68. Heinrich Köhler-Auktion (1930), ‚Schwan‘ (Corinphila 1998)
Die Carlshütte in Rendsburg
Was verbindet das erste Industrie-Unternehmen in Schleswig-Holstein – zur dänischen Zeit das erste Eisenwerk im dänischen Gesamtstaat – und den fantastischen Brief mit dem Dreierstreifen der blauen „Rebellenmarken“? Der Blick auf den Absender und den Empfänger eröffnet ein faszinierendes Kapitel Industriegeschichte.
Die Empfängerin des Briefes war „Madame C. Hudemann aus Rendsburg, Adresse Hotel zum Kronprinzen, Hamburg“, offenbar die Ehefrau von C(hristian) Friedrich Hudemann (1770-1809). Madame Hudemann (1782-1859) war eine geborene „Holler“. Ihr Bruder Marcus Hartwig Holler war ein Pionier der „Ersten Stunde“ Schleswig-Holsteiner Industriegeschichte. 1827 hatte Holler die Carlshütte geründet, eine Eisengießerei in Büdelsdorf bei Rendsburg in Holstein. Die „Holler’sche Carlshütte“ war das erste Industrieunternehmen in den beiden Herzogtümern und Dänemark. Bereits 1841 waren 250 Arbeiter beschäftigt. Neben dem Gusseisenwerk errichtete Holler eine Schiffswerft, dazu betrieb er eine Leimsiederei sowie eine Geflügelzucht. In diesen Betrieben bot Holler Arbeitsplätze für die Frauen der Hüttenarbeiter, dazu Heimarbeit wie Weberei, Draht- und Strohflechterei.
Aus der leider nur kurzen Ehe seiner Schwester Katharina Margarete Hudemann (geb. Holler) mit Christian Friedrich Hudemann ging Carl-Friedrich Hudemann (1808-1860) hervor, der später zum Direktor der Holler’schen Carlshütte berufen wurde.
Zur Zeit des 1. Dänischen Krieges 1849/50 und der damit verbundenen kurzen Unabhängigkeit des Herzogtums Holstein war Hollers Schwester zu Gast im noblen Hotel „Zum Kronprinzen“ in Hamburg. Marcus Hartwig Holler schreibt seiner Schwester in dem (leider nicht ganz vollständig erhaltenen) Brief von den Ereignissen in Rendsburg, erwähnt die „Carlshütte“ und schließt den umfangreichen Brieftext mit „…Dein Dich liebender treuer Bruder / M.H. Holler“.
Die Holler’sche Carlshütte ging später auf die Familie Ahlmann über. Heute befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Carlshütte das Kunst- und Kulturzentrum „Kunstwerk Carlshütte“ in der zeitgenössische Künstler aus aller Welt alljährlich ihre Werke auf der Ausstellung „NordArt“ präsentieren.