8. Auktion / Hannover: Telegraphische Depesche nach Bremen
Frankierte Telegramme von Hannover sind außerordentlich selten; von den Wappenausgaben haben wir insgesamt zehn Stück registriert, jedoch kein weiteres auf preußischem Formular. Ein phantastisches Stück.
Startpreis EUR 10‘000.-
Zuschlag EUR 58‘000.-
Hannover, 1 Gutegroschen auf graugrün, senkrechtes Paar, allseits breitrandige rechte untere Bogenecke mit Reihenzählern „11“ und „12“, vorausentwertet mit Tintenstrichen und Rahmenstempel auf preußischer „Telegraphischer Depesche“ nach Bremen, bei Aufgabe zusätzlich entwertet durch blauen Doppelkreisstempel „HANNOVER 26/8“ (1852), dieser auch zusätzlich nebengesetzt. Rückseitig Ankunftsstempel vom nächsten Tag. Das rückseitige Verschlusssiegel ausgeschnitten, sonst sehr schöne frische und einwandfreie Erhaltung.
Provenienz: Dr. Johannes Blahak (20. Götz-Auktion, 1981), John R. Boker, Jr. (1997)
Aufstieg und Fall der Bremer Segelschiffsreederei D.H. Wätjen & Co.
Am 26. August 1852 erreichte die Königlich Preußische Telegrafen Station in Hannover eine „Telegraphische Depesche“ für die Segelschiffs¬reederei D. H. Wätjen & Co. in Bremen. Zu dieser Zeit entwickelte sich innerhalb weniger Jahre ein engmaschiges Telegraphennetz in Deutschland. Handel und Logistik setzten auf die große Zeit¬ersparnis der elektrischen Nachrichten¬übermittlung. „Zeit ist Geld“ war schon damals die Devise der Unternehmer. Auch von D. H. Wätjen & Co. in Bremen.
In Bremen war 1847 die erste längere Telegraphenstrecke über 65 Kilometer nach Bremerhaven in Betrieb gegangen. Mitglieder der Bremer Börse, Reeder und Kaufleute bekamen die Nachrichten gegen Zahlung einer Gebühr direkt zugestellt. Bereits im ersten Jahr wurden über 6.800 Schiffsmeldungen und fast 4.000 sonstige Nachrichten übermittelt. 1850 war Bremen mit Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt und Köln verbunden. Aber im August 1852 war die Leitung von Hannover nach Bremen offenbar noch nicht in Betrieb. So mussten „Telegraphische Depeschen“ für D. H. Wätjen in Hannover ausgelesen und mit der ‚normalen‘ Post verschickt werden.
Diedrich Heinrich Wätjen (1785-1858), ein Bauernsohn aus Ochtmannien bei Vilsen begann seine Kaufmannskarriere als Blockadebrecher während der französischen Kontinentalsperre. Er ging 1814 nach England und trat ab 1818 in die Bremer Firma „A. Fr. Schaer & Co.“ ein, die er bald ganz übernahm. 1821 besaß die Firma nur ein Segelschiff mit 180 Tonnen Lastkapazität. Damit importierte er Tabak, Zucker, Kaffee und Wein aus Bordeaux. Mit größeren Schiffen für die Atlantiküberquerung mit bis zu 420 Tonnen Last begann er den Handel mit Amerika. In Westindien, Indien, Indonesien und Australien eroberte er ferne Handelsmärkte. Neben exotischen Produkten aller Art transportierte er Auswanderer und beteiligte sich sogar am Walfang. Mit seiner Vision des weltweiten Handels führte Diedrich Heinrich Wätjen das Unternehmen zur weltweit größten privaten Segelschiffsreederei. Offenbar ignorierte Wätjen den technischen Fortschritt. Erst nach 1880 investierte die D. H. Wätjen & Co. in moderne Schraubendampfer. Wätjens neue Schraubendampfer fuhren in den 1890er Jahren aufgrund niedriger Frachtraten auf dem Weltmarkt nicht kostendeckend und wurden schon 1894 wieder verkauft. Es war der „Anfang vom Ende“ der einst stolzen Segelschiffsreederei, die auf allen Weltmeeren unterwegs gewesen war. Zu Beginn des 1. Weltkrieges blieben D. H. Wätjen & Co. nur noch drei Segelschiffe, von denen zwei interniert wurden. Der Betrieb der Reederei musste eingestellt werden und wurde nach dem Krieg nicht mehr aktiviert.