4. Auktion / Sachsen: Der Farbfehldruck
Größte bekannte Einheit und einzig erhalten gebliebener Schalterbogen des Fehldruckes und eine der großen Altdeutschland-Seltenheiten
Startpreis EUR 80‘000.-
Zuschlag EUR 95‘000.-
½ Neugroschen schwarz auf hellblau, der berühmte Farbfehldruck im Schalterbogen von 10 Marken, sehr schön farbfrisch und allseits breitrandig, ungebraucht mit Originalgummi.
Der Bogen wurde zwischen der 2. und 3. sowie der 4. und 5. senkrechten Reihe vorgefaltet, das Papier hier teils gebrochen und an zwei Stellen mit dünnen Falzen gestützt; die beiden linken Werte zeigen die bei dieser Abart fast immer vorkommenden Sandkornlöcher (möglicherweise auch Aufnadelungslöcher aus den Akten), die übrigen acht Werte völlig einwandfrei. (Mi.-Nr. 3F)
Provenienz: Philipp von Ferrari (106. Gilbert-Auktion, 1923), Arthur Hind (Harmer-Auktion, 1934), John R. Boker, Jr. (1988)
Der Farbfehldruck der ½ Neu-Groschen von 1851
Mit Postverordnung Nr. 832 v. 22. Juli 1851 wurde die Frankatur von Briefen mit den neu erscheinenden Marken mit dem Bild König Friedrich August II für zulässig erklärt. Unter großem Zeitdruck begann die Druckerei C.C.Meinhold & Söhne mit der Herstellung.
Einen Monat später, am 22. August 1851, rieb sich der Schalterbeamte im Personen-Einschreibebüro in Leipzig verwundert die Augen! Sein Blick fiel auf 25 Exemplare der ½ Neu-Groschen Briefmarken, die statt auf grauem Papier auf dem hellblauen Papier der 2 Neu-Groschen Briefmarken gedruckt sind. Unverzüglich wurde das Königliche Oberpostamt Leipzig informiert.
Auf Nachfrage bei der Druckerei C.C. Meinhold & Söhne erklärte in Abwesenheit des für die Produktion verantwortlichen Theodor Meinhold sein Bruder Julius, dass eine Verwechslung des Papiers vorgekommen sein müsse. Wenn die Marken aus der ersten Lieferung stammten, könne es sich nur um ein Blatt von
60 Stück handeln. Ein Blatt enthielt sechs Einheiten zu zehn Marken.
Umgehende Recherchen des Leipziger Personen-Einschreibebüros ergaben, dass bereits 35 Exemplare der „Fehldrucke“ unerkannt verkauft worden waren, vermutlich zu jeweils 2 Neu-Groschen. Man konnte sogar den Käufer ausfindig machen. Es war das weit über die Grenzen der Stadt Leipzig hinaus bekannte Bankhaus Frege, das schon Johann Wolfgang von Goethe, die Brüder Humboldt, die preußischen Staatsminister Heinrich Friedrich Karl von und zum Stein sowie Karl August von Hardenberg zu seinen Kunden zählte.
Unverzüglich wurde das Bankhaus Frege von der Oberpostdirektion Dresden mit einem Schreiben und dem Hinweis auf die erworbenen fehlerhaften Briefmarken kontaktiert. Laut Milde/Schmidt in „Die alte Sachsenpost“ (1973) lag dem Schreiben an das Bankhaus (angeblich) ein Muster des Fehldruckes in Form eines 10er Schalterbogens bei. Ob dieser aus einer ausgesonderten Fehldruck-Auflage in der Druckerei stammte, oder vielleicht aus den 25 Fehldrucken, die aus Leipzig an die O.P.D. Dresden zurückgeschickt wurden, ist unklar. Jedenfalls ersuchte man das Bankhaus um einen Umtausch der fehlerhaften ½ Neu-Groschen Briefmarken auf hellblauem Papier gegen ½ Neu-Groschen auf grauem Papier. Am 29. August sind lt. Aktenvermerk dem Personeneinschreibebüro 32 Marken zurückgegeben worden. Vermutlich war es der Restbestand von Fehldrucken vom Bankhaus Frege. Der Verbleib der fehlenden drei Marken ist ungeklärt. Vielleicht wurden sie bereits kurz nach dem Erwerb mit der täglichen Geschäftspost der Bank verbraucht.
Mit Schreiben vom 19.9. erklärt der zurückgekehrte Drucker Theodor Meinhold: „Das Falsum von einem Blatt von 60 Marken à 1/2 Ngr. ist allein dadurch entstanden, als beim Fertig Werden der 1/2 Ngr. Platte einzelne Probeabzüge auf blaues Papier, welches gefeuchtet war, gemacht wurden und ein solches Blatt zum Gummieren und Verschneiden aus Versehen gekommen ist. Ähnliche Abzüge wurden der Kgl. Ober-Postdirektion unter dem Ausschuss der 1. Lieferung mit abgegeben.“
Zusammen mit den 25 im Personen-Einschreibebüro aufgefundenen Fehldrucken wanderten die 32 zurückgegebenen Fehldrucke des Bankhauses Frege in das Archiv der Oberpostdirektion. Dort lagerten die insgesamt 57 sichergestellten Fehldrucke bis 1891. Dann wurden sie laut Sachsen-Handbuch (1955) zusammen mit verschiedenen Essays und einem aufgeteilten Vorlagebogen des Sachsen-Dreiers zum Stückpreis von jeweils 3 Reichsmark verkauft.
Wir danken Jürgen Herbst, Stadtallendorf für wertvolle Hinweise zur Geschichte der Sachsen-Fehldrucke.
Verwendete Literatur und Empfehlung für weitere Studien:
Sachsen-Handbuch, herausgegeben von Heinz Goebeler (1955), Seiten 54 – 55
Die alte Sachsenpost, Horst Milde und Erich Schmidt (1973), Seiten 118 – 122